La Dolce Vita auf Schienen: Luxuszug-Innovation mit Tradition

Rom, 19. Juni 2025, 10:00 Uhr
Mit dem Start des „La Dolce Vita Orient Express“ hat Europa ein neues Kapitel im Bereich luxuriöser Bahnreisen aufgeschlagen. Die traditionsreiche Marke Orient Express, jetzt unter dem Dach von Accor und in Kooperation mit Arsenale S.p.A. und Trenitalia, bringt nicht nur nostalgische Eleganz auf die Gleise zurück, sondern präsentiert eine moderne Vision von nachhaltigem Luxusreisen. Der neue Zug startete offiziell am 4. April 2025 und vereint italienische Designkunst, kulinarische Exzellenz und ein bewusst entschleunigtes Reiseerlebnis.
Ein legendärer Name in neuem Gewand
Der Begriff „Orient Express“ ruft Bilder von Eleganz, Abenteuer und goldenem Zeitalter des Reisens hervor. Der „La Dolce Vita“-Ableger knüpft genau daran an – jedoch mit einem Fokus auf Italien und seine kulturelle Vielfalt. Anders als sein berühmter Vorgänger, der Venice Simplon-Orient-Express (VSOE), ist dieser Zug vollständig in Italien gefertigt und agiert vorrangig auf italienischem Boden. Das Projekt umfasst sechs neue Luxuszüge mit je 62 Plätzen, die nicht nur für reguläre Reisen, sondern auch für private Anlässe wie Hochzeiten oder Firmenevents gebucht werden können.
Die Routen: Acht Reisen durch das Herz Italiens
Der La Dolce Vita Orient Express bietet acht verschiedene Reiserouten an, die Italiens bekannteste, aber auch unbekanntere Regionen miteinander verbinden. Ob die klassische Verbindung zwischen Rom und Venedig, die Erkundung Süditaliens, eine spektakuläre Fahrt über Sizilien inklusive Fährpassage oder exklusive Stopps in Matera, Portofino oder den Abruzzen – jede Strecke erzählt eine Geschichte. Das Konzept: bewusst langsam reisen, auf landschaftlich reizvollen, teils historischen Bahnstrecken. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 75 mph (etwa 120 km/h), damit das Landschaftserlebnis nicht zur Nebensache wird.
Ausgewählte Streckenhighlights
- Rom – Venedig: Klassiker mit Gondel-Dinner
- Palermo – Mailand: Nord-Süd-Achse inklusive Fährüberfahrt
- Matera – Portofino: Kontrastreiche Traumroute durch Süditalien
- Abruzzen-Rundreise: Geheimtipp für Naturliebhaber
Design und Komfort: Hommage an die italienische Moderne
Gestaltet wurde der Zug von dem renommierten Mailänder Designstudio Dimorestudio, unter Leitung von Emiliano Salci und Britt Moran. Die Innenausstattung ist eine Liebeserklärung an die italienische Ästhetik der 1960er- und 1970er-Jahre. Farben, Materialien und Formen erinnern an Künstler wie Lucio Fontana oder Gio Ponti. Besonders auffällig: Die Kombination aus edlem Holz, Samt, gebürstetem Metall und maßgefertigten Lichtelementen.
Wagenklassen und Ausstattung
Wagentyp | Anzahl | Besonderheiten |
---|---|---|
Deluxe-Kabinen | 12 | Eigenes Bad, hochwertige Bettwäsche |
Suite-Kabinen | 18 | Panoramafenster, mehr Platz |
La Dolce Vita Suite | 1 | Privater Butler-Service, großzügiger Wohnbereich |
In jeder Kabine erwarten die Gäste handgefertigte Seifen, Samt-Hausschuhe, Monogramm-Notizbücher und ein Concierge-Service auf Abruf. Jeder Wagen ist zudem mit einer Players’ Lounge, einer Bar und einem Salon ausgestattet.
Kulinarik auf Michelin-Niveau
Für die kulinarische Leitung konnte niemand Geringeres als Heinz Beck gewonnen werden – bekannt für das Drei-Sterne-Restaurant „La Pergola“ in Rom. Das gastronomische Angebot an Bord ist eine Hommage an die italienische Küche mit regionalen Zutaten und wechselnden Menüs je nach Strecke.
„Es geht nicht darum, satt zu werden – sondern zu schmecken, zu erleben, zu genießen“, sagt Beck über seine Bordküche.
Begleitet wird das Menü durch italienische Spitzenweine und eigens komponierte Signature-Cocktails. Die Küche ist integraler Bestandteil des Erlebnisses und spiegelt das Motto des Zuges wider: „La Dolce Vita“ – das süße Leben.
Reisen als Erlebnis: Ausflüge und Inszenierung
Jede Tour ist sorgfältig choreografiert. Die Gäste werden mit Live-Bands empfangen, betreut durch persönliche Guest-Experience-Manager und begleitet zu außergewöhnlichen Erlebnissen: Private Führungen durch Palazzi, exklusive Weinverkostungen in Familienweingütern oder Wanderungen in Nationalparks.
Im Vergleich zum Venice Simplon-Orient-Express ist der italienische Ableger stärker auf ganzheitliches Erlebnisreisen ausgerichtet. Die Fahrten werden zur Bühne für eine Inszenierung – zwischen Glamour, Kultur und Natur.
Nachhaltigkeit: Anspruch mit Herausforderungen
Ein zentrales Versprechen des Projekts ist Nachhaltigkeit. Der Zug nutzt teils historische Strecken, kooperiert mit der Fondazione FS für deren Erhalt und bemüht sich um den Einsatz umweltfreundlicher Antriebstechnologien. Auf elektrifizierten Strecken ist der CO₂-Ausstoß pro Personenkilometer rund 75 % geringer als bei Flugreisen. Pilotprojekte zur Wasserstoffnutzung sind in Planung.
Emissionsvergleich verschiedener Verkehrsmittel
Verkehrsmittel | CO₂-Emissionen pro Personenkilometer |
---|---|
Flugzeug | 285–300 g CO₂ |
Auto (Einzelfahrer) | 130–200 g CO₂ |
Fernzug (Elektro) | 30–50 g CO₂ |
Allerdings: Auf nicht-elektrifizierten Strecken kommen noch dieselbetriebene Lokomotiven zum Einsatz – ein Kompromiss zwischen Infrastruktur und Anspruch.
Kritik und ethische Debatten
Während viele das Projekt feiern, gibt es auch kritische Stimmen. Insbesondere der hohe Preis (zwischen 3.500 € und 25.000 € pro Nacht) lässt Fragen zur sozialen Verantwortung aufkommen. Kritiker sprechen von einer „inszenierten Parallelwelt“ für Reiche, die wenig mit der Alltagsrealität vieler Italiener zu tun habe. Auch logistische Anlaufschwierigkeiten bei den ersten Testfahrten wurden dokumentiert – von kleinen Verspätungen bis zu Personalengpässen.
Andere wiederum begrüßen das Projekt als Wirtschaftsmotor, Denkmalpflege-Initiative und nachhaltige Alternative zur Luxusfliegerei.
Ein Blick in die Zukunft
Der „La Dolce Vita Orient Express“ ist erst der Anfang. Für 2026 ist eine zweite Zuggeneration mit dem Namen „Corinthian“ geplant, gefolgt von Luxus-Yachten unter der Marke „Olympian“ im Jahr 2027. Auch klassische Orient-Express-Routen wie Paris–Istanbul sollen ab 2026/27 wieder aufgenommen werden.
Accor und Arsenale verfolgen damit eine langfristige Strategie: den Aufbau eines weltweit führenden Luxusreise-Portfolios auf Schienen und Wasser – mit dem Anspruch, ikonische Erlebnisse neu zu definieren.
Fazit: Der Luxuszug als Bühne eines neuen Reisetrends
Der „La Dolce Vita Orient Express“ ist mehr als ein Zug: Er ist eine Bühne für ein bewusst inszeniertes Lebensgefühl, eine Reiseform, die entschleunigt, inspiriert und beeindruckt. Er vereint Design, Kulinarik, Nachhaltigkeit und Exklusivität auf eine Weise, die weltweit einzigartig ist.
Ob dieses Konzept dauerhaft erfolgreich sein wird, hängt von vielen Faktoren ab – vom gesellschaftlichen Diskurs über Luxus bis hin zur Weiterentwicklung nachhaltiger Antriebstechnologien. Sicher ist jedoch: Der Zug hat den europäischen Reisemarkt auf neue Gleise gesetzt.